Im Mittelpunkt von Weisgerbers Schaffen stand von Beginn an das Menschenbild. Den Bildnissen der Freunde und Weggefährten, der Ehefrau und der Familie schenkte der Künstler stets eine besondere Aufmerksamkeit. Auch auf dem Bildnis der eigenen Person lag immer wieder sein Augenmerk. Als geschlossene Werkgruppe nehmen die Selbstbildnisse einen bedeutsamen Platz im Œuvre von Albert Weisgerber ein.
Neben der individuellen Erfassung der Dargestellten gelangte der Künstler in vielen Bildern zu allgemeingültigen Aussagen über den Menschen. In elementaren Themenfindungen suchte er vor allem in den letzten Jahren seines Schaffens die menschliche Existenz zu ergründen. An die Stelle einer vertieften psychologischen Charakterisierung des Einzelnen trat eine Betrachtung des Menschen in seinem allgemeinen Sein. Dieser erscheint oftmals vereinsamt und in sich verschlossen.
Ein nach der Jahrhundertwende in den Kreisen der expressionistischen Avantgarde vorherrschender Kulturpessimismus wird im Werk Weisgerbers in den letzten Jahren seines Schaffens spürbar. Angesichts der rasanten zivilisatorischen Entwicklung wuchs die Verunsicherung des Individuums. Die dem technischen Fortschritt geschuldete Anonymität und Entfremdung von der Natur wurde als eine Bedrohung empfunden. Das konstruierte Wunschbild des Expressionismus, eines von Kunst und freiem Ausdruck durchtränkten Lebens, blieb Utopie und zerbrach mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Im Gegensatz zu einer Moderne, die den Weg in die Abstraktion beschritt, blieb Weisgerber einer im weitesten Sinne humanistischen Tradition verpflichtet, die den Menschen in den Mittelpunkt des künstlerischen Fragens und der malerischen Reflexion rückte.
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