Für Wissenschaftler und Kunstinteressierte, deren Forschungsgebiete Berührungspunkte zu Werk und Vita Albert Weisgerbers aufweisen, ist die Albert-Weisgerber-Stiftung mit ihren reichen Beständen inzwischen zu einer festen Anlaufstelle für Recherchen und Anfragen verschiedenster Art geworden. Albert Weisgerbers ausgedehnte künstlerische Vernetzung spiegelt sich in der Vielzahl der Ersuchen aus aller Welt wider.
Ein Interview mit der Kuratorin der Albert-Weisgerber-Stiftung, Andrea Fischer M.A., gibt Auskunft über die Tätigkeit der Stiftung.
Frau Fischer, sie verwalten das Archiv von St. Ingberts großem Maler Albert Weisgerber. Wie viele Teile liegen dort?
Das Albert-Weisgerber-Archiv ist äußerst umfangreich. Es umfasst um die 4500 Nummern allein an Dokumenten und verschiedenste Archivalien, die sich sozusagen um die eigentliche Werksammlung gruppieren.
Um was handelt es sich? Zeichnungen und Skizzen oder auch anderes?
Das Archiv versammelt zahlreiche originale Briefe und Postkarten Albert Weisgerbers, aber auch seiner Ehefrau Margarete Weisgerber-Collin aus dem Londoner Exil, Briefe von Künstlerfreunden und Weggefährten wie Theodor Heuss oder Hans Purrmann, Fotos, Handschriften und Dokumente sowie etliche Aufsätze, Bücher und Würdigungen, die Leben und Werk des berühmten St. Ingberter Malers dokumentieren. Sie geben einen sehr lebhaften Eindruck von Weisgerbers schillerndem Künstlerleben zwischen den Kunstzentren München und Paris, aber auch von seinen intensiven Beziehungen und Bindungen an seine geliebte Heimatstadt St. Ingbert, wo er immer wieder gerne Station machte.
Die Werksammlung selbst umfasst 75 Ölgemälde sowie einen umfangreichen Bestand von rund 200 Zeichnungen und Skizzenbüchern. Es handelt sich dabei vielfach um Vorstudien und Skizzen zu Weisgerbers großen Figurenkompositionen, aber auch um interessante Zeichnungen aus der Frühzeit, die während seiner Ausbildungszeit in Kaiserslautern bzw. an der Münchner Akademie entstanden sowie wunderbare Zeichnungen und Skizzen aus seiner Zeit in Paris.
Was genau ist Ihre Aufgabe?
Neben dem Kuratieren von Ausstellungen und allen damit verbundenen Aufgaben betreffend Realisierung und Organisation sowie der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit, stellt die wissenschaftliche Erschließung und konservatorische Überwachung, d.h. Bewahrung und Pflege des Kunstbesitzes und Archivs eine wesentliche Aufgabe dar. Hierzu gehören auch die Prüfung von Leihanfragen und Abwicklung des Leihverkehrs, was eine enge Zusammenarbeit mit Restauratoren erfordert. Der Zustand der Gemälde wird dabei stets sehr aufwendig protokolliert und kontrolliert.
Darüber hinaus gibt es immer wieder auch Neuzugänge, sei es durch Schenkungen oder Ankäufe, die archiviert und wissenschaftlich erschlossen und bewertet werden müssen. Die Albert-Weisgerber-Stiftung erhält aus dem Handel oder von privat immer wieder Angebote von Werken Albert Weisgerbers, die es auf ihre Echtheit zu prüfen gilt. Dies erfordert eine hohe Sachkenntnis und zieht mitunter umfangreiche Recherchen nach sich. Leider sind auf dem Markt in den letzten Jahren vielfach Fälschungen aufgetaucht, die unter anderem auch der Stiftung angeboten wurden. Da ist bisweilen detektivische Detailarbeit gefragt und manchmal fühlt man sich auch ein wenig wie in einem Krimi.
Gab es eine Aktion, die für Sie etwas ganz Besonderes darstellte?
Sehr spannend fand ich, als auf dem Dachboden von Tabak Bennung der von Albert Weisgerber gestaltete Originalentwurf des Firmensignets aufgefunden wurde. Angestoßen wurde dies damals durch unsere Jubiläumsausstellung zum 125. Geburtstag des Malers. Das war eine tolle Entdeckung. Als ich seinerzeit in die aufgefundene Kiste schaute und den Entwurf in Händen hielt, kam große Freude auf. Wir haben den Entwurf dann erstmalig in der Retrospektive 2003 ausgestellt. Seither befindet er sich dank der Familie Bennung-Karmann als Dauerleihgabe in unserem Bestand.
Wie lange arbeiten Sie schon dort?
Ich bin seit Juni 1994 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin bei der Stiftung beschäftigt, also schon eine recht lange Zeit, in der mir die Sammlung sehr ans Herz gewachsen ist.
Welchen Raum nimmt die Arbeit im Archiv ein?
Die Arbeit ist in den vergangenen Jahren gerade im Bereich der Sammlungspflege, aber auch durch die vielen Anfragen, die an die Stiftung herangetragen werden, sehr angewachsen. Die Weisgerber-Stiftung ist mittlerweile eine feste Anlaufstelle für Wissenschaftler, deren Forschungsgebiete Berührungspunkte zu Werk und Vita Weisgerbers aufweisen. Wir erhalten hierbei Anfragen aus aller Welt. Erst jüngst kam eine E-Mail aus Rio de Janeiro. Dort forscht ein Doktorand über den in Brasilien sehr bekannten Maler Alberto da Veiga Guignard (1896-1962), der vor dem Ersten Weltkrieg an der Münchner Akademie studierte. Er erwähnte in einem Interview, dass er mit einem Maler namens Weisgerber viel über Kunst gesprochen habe. Wir können wohl davon ausgehen, dass er mit Albert Weisgerber 1914 in München in Kontakt war. Weisgerber verkehrte damals in der Kunstmetropole München, die Künstler aus aller Herren Länder anzog, in den einschlägigen Künstlertreffpunkten Schwabings und war sehr vernetzt. Für viele junge Künstler vor dem Ersten Weltkrieg hatte er als Maler und erster Präsident der Neuen Münchner Secession eine Vorbildfunktion. Er war sehr geschätzt.
Wenn Sie den St. Ingberter Künstler thematisch oder leistungsmäßig einordnen müssten, wo würde er stehen?
Albert Weisgerber war für seine Zeit ein Neuerer, ein Moderner, der in seinen letzten Bildschöpfungen der expressiven Bildkunst neue Dimensionen erschloss. Als leidenschaftlicher Mitstreiter im Kampf um die Moderne steht er mit seinem Leben und Schaffen in der Krisenzeit vor dem Ersten Weltkrieg beispielhaft für den Aufbruch einer ganzen Künstlergeneration. Er ist der bedeutendste Maler der Klassischen Moderne im Saarland.
Auszug aus einem Interview mit Barbara Hartmann, St. Ingberter Rundschau, Juni 2019
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