Paris – Im Bann der großen Franzosen

Noch um die Jahrhundertwende Schüler des Malerfürsten Franz von Stuck, suchte Albert Weisgerber recht bald sich aus der Tradition der Münchner Malerschule zu lösen und brach im Herbst 1905 nach Paris auf. 

Maßgebliche Impulse für die Reise erhielt der Maler 1905 in Berlin, wo ihn die französischen Impressionisten nachhaltig beeindruckten. Wie viele Künstler wollte er in der Seine-Metropole seine Kenntnisse der französischen Lichtmalerei vor den Werken der großen Franzosen vertiefen.

Zwischen dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und dem Ersten Weltkrieg übernahm Paris in der Entwicklung der modernen Kunst eine führende Rolle. Als Wiege der Neuerungen wurde die französische Hauptstadt zu einem Zentrum des revolutionären Kunstgeschehens, das Künstler und Intellektuelle der unterschiedlichsten Herkunft in seinen Bann zog. 

Auch auf Albert Weisgerber wirkte die einzigartige Atmosphäre der Pariser Kunstwelt stimulierend. Im legendären Pariser Café du Dôme, dessen Künstlerkreis er von 1905-1907 mit Unterbrechungen angehörte, traf er sich mit Hans Purrmann, Rudolf Levy, Jules Pascin und wurde mit Henri Matisse persönlich bekannt. In dem berühmten Café am Boulevard Montparnasse wurde viel diskutiert, vor allem über Cézanne, dessen Gedächtnis-Ausstellung auf Weisgerber den stärksten Eindruck machte. 

In mannigfacher Weise war Weisgerber in Paris mit den modernen Kunstströmungen in Berührung gekommen, hatte sich mit der alten Kunst ebenso auseinandergesetzt wie mit der Avantgarde. Die französische Metropole eröffnete dem Maler neue künstlerische Horizonte. Einfluss gewannen Cézanne, Toulouse-Lautrec, Matisse und auch Manet, von dem 1905 im Pariser Herbstsalon Werke zu sehen waren. 

Paris besaß für Weisgerber zweifellos eine katalysatorische Kraft, stürzte den Maler jedoch in eine tiefe Schaffenskrise. In einem Brief an den Freund und späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss bekannte er im Mai 1906: 

„Mein Pariser Aufenthalt, ist ein einziger moralischer Kater der mich so arg mitnimmt, dass mir manche Stunden lang alle Lust zum Malen vergeht. (…) Das Ringen um Stil verlangt Bärenkraft.“¹ Aber im August schrieb er bereits begeistert: “Man kann allen jungen Malern nur raten, nach Paris zu gehen. Ich möchte es in goldenen Lettern über das Portal der Sezession schreiben.”²

Weisgerber blieb auch nach Paris ein Suchender. In jedem Bild, das er malte, wollte er den selbst gestellten hohen Ansprüchen genügen. Um die Realisierung seiner Kunst hat er in jedem Moment seines Lebens hart gerungen.

¹ Gerhard Sauder, Ich male wie ein Wilder, Albert Weisgerber in Briefen und Dokumenten, Blieskastel 2006, S.90

² ebd. S. 98