Pariser Café, 1906

Im Pariser Café von 1906 nimmt sich Weisgerber eines typischen pariserischen Sujets an, das nun Eingang in seine Malerei findet. Das Vorbild Toulouse-Lautrecs ist nicht nur im Motivischen, sondern gleichwohl in der karikaturistischen Verdichtung der Szenerie offenkundig.

An einem runden Tisch hat ein zylinderbehüteter Herr in Gesellschaft einer mondänen Dame Platz genommen. Konterfei und Figur des Mannes sind in strengem Profil wiedergegeben. Doch die Aufmerksamkeit des Mannes ist nicht auf sein Gegenüber gerichtet. Gelangweilt und in Gedanken versunken schaut er an der mit Hut und Federn geschmückten weiblichen Gestalt vorbei. Sein Blick läuft ins Leere. Auch der aufrecht stehende Kellner kehrt gleichgültig der Szenerie den Rücken. Sein Interesse gilt allein den vorbeiziehenden Passanten, die im hektischen Getriebe der Großstadt anonym und unerkannt bleiben. Der Ort ist namenlos, die Menschen unpersönlich. Die einem solchen öffentlichen Treffpunkt eigene Beziehungslosigkeit findet ihre Entsprechung in der sonderbaren Starre und dem betont Ungelenken der Formbehandlung. 

Die Einsamkeit und Selbstentfremdung des modernen Großstadtmenschen beschäftigte seit dem späten 19. Jahrhunderts thematisch zahlreiche Künstler, allen voran Degas und Manet.