Maler | Albert Weisgerber |
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Titel | Liegende (Miss Robinson) |
Datierung | 1910 |
Material und Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 105 x 135 cm |
Signatur | rechts unten: AWEISGERBER.10. |
Objektart | Gemälde |
Gattung | Malerei |
Inventarnummer | AW 40 |
Sammlung | Albert-Weisgerber-Stiftung, St. Ingbert |
Bildnachweis | © Bildarchiv Albert-Weisgerber-Stiftung/Landesbildstelle Saarland im LPM, Foto: Karin Heinzel Rechte vorbehalten |
Bei seinem Aufenthalt in Paris war Weisgerber mit den modernen, französischen Kunstströmungen in vielfacher Weise in Berührung gekommen. In den Pariser Museen, Galerien und Salons konnte er zahlreiche Werke im Original studieren, so etwa auch im Musée du Luxembourg, wo bedeutende Gemälde der Impressionisten in größerem Umfang zu sehen waren.
Großen Eindruck auf Weisgerber machte neben Paul Cézanne und Henri Matisse auch die Kunst Édouard Manets, dessen skandalumwitterte Olympia von 1863 ihm den Anstoß zur Liegenden (Miss Robinson) gab, einem monumentalen weiblichen Akt vor einer dekorativen Draperie.
Das Motiv der liegenden, unbekleideten Frau hat in der Kunstgeschichte eine lange Tradition. Direkte Vorbilder für Manets Olympia waren Giorgiones Schlummernde Venus von 1510, insbesondere aber Tizians Venus von Urbino von 1538. Auch Weisgerber hatte sich 1910 in verschiedenen Aktdarstellungen von den Venusdarstellungen der Meister der italienischen Renaissance zu eigenen Kompositionen inspirieren lassen und sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt.
Ganz im Gegensatz zur nackten, weißen jungen Frau bei Manet fiel Weisgerbers Wahl bei der liegenden Miss Robinson auf ein Modell, das sich durch Alter und schwarze Hautfarbe gänzlich von Manets Olympia unterschied. Während Manets Olympia mit ihrem koketten, kühl abwägenden Blick den Betrachter geradezu fixierte, was von der Öffentlichkeit angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Modell um eine namentliche bekannte Kurtisane handelte, als zutiefst schockierend und unanständig empfunden wurde, verzichtete Weisgerber auf jegliche provozierende Attitüde. Trotz der auf den ersten Blick ähnlichen Pose zeigen sich deutlich Unterschiede. Den Kopf zur Seite geneigt, ruht Miss Robinson mit halb geschlossenen Augen auf einem mit einer Vielzahl aus blaugrauen und weißlichrosa Tönen nuancenreich differenzierten, weißen Diwan, vom dem sich ihr Inkarnat in verhaltenen Braun-Grautönen abhebt. Der bunte Blumenstrauß, den eine schwarze Bedienstete Olympia überbringt, scheint sich in Weisgerbers Bild gleichsam motivisch über den mit Blumen und Blättern dekorierten Stoffbehang des Hintergrundes zu ergießen.
Bar jeglicher Idealisierung und Erotisierung zeigt Weisgerber die Frau in ihrem individuellen äußeren Erscheinungsbild, wie sich sich von Natur aus darbot. Er malt sie mit Doppelkinn, fülligem Bauchansatz, schweren Brüsten, kurzen stämmigen Beinen und einer insgesamt untersetzten Statur, was durch die perspektivische Verkürzung der Figur eine zusätzliche Betonung erfährt. Statt mit modischen kleinen Pantoffeln bekleidet, ist sie barfüßig. Die Kette um ihren Hals wirkt mehr als eine Reminiszenz an Manet, denn als ein die erotischen Reize der Frau unterstreichendes Accessoire. Die Entzauberung des klassischen Themas der Venus als Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit gerät zu einem emanzipatorischen Akt. Weisgerber rückt das irdisch-weltliche Sein des schwarzen Modells in den Fokus, eine eher melancholische, von einer natürlichen Ruhe getragene Existenz.
"Bar jeglicher Idealisierung und Erotisierung zeigt Weisgerber die Frau in ihrem individuellen äußeren Erscheinungsbild, wie sie sich von Natur aus darbot. Er malt sie mit Doppelkinn, fülligem Bauchansatz, schweren Brüsten, kurzen stämmigen Beinen und einer insgesamt untersetzten Statur, was durch die perspektivische Verkürzung der Figur eine zusätzliche Betonung erfährt. Die Entzauberung des klassischen Themas der Venus als Göttin der Liebe, des erotischen Verlangens und der Schönheit gerät zu einem emanzipatorischen Akt."
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