Im Sittlichkeitsverein, 1907, Entwurf für die Jugend

Maler Albert Weisgerber
Titel Im Sittlichkeitsverein, Entwurf für die Jugend 1907, Jg. 12, Heft 33
Datierung 1907
Material und Technik Tusche, Gouache und Deckweiß auf Papier
Maße 39,5 x 29,4 cm
Signatur rechts unten: AWEISGERBER.07.
Objektart Zeichnung
Gattung Graphik
Inventarnummer AW LXXIX
Sammlung Albert-Weisgerber-Stiftung, St. Ingbert
Bildnachweis © Bildarchiv Albert-Weisgerber-Stiftung/Foto: Frank Hasenstein Rechte vorbehalten

Albert Weisgerber gehörte wie sein Lehrer Franz von Stuck zu den ersten Zeichnern der Jugend. Schon 1897 als 19-jähriger Akademieschüler lieferte er einen ersten Beitrag für die moderne Wochenschrift. Zwei dekorative Vignetten, die unverkennbar den Einfluss Stucks zeigen. Seit 1903 trug er als ständiger Mitarbeiter mit Schmuckleisten und Illustrationen, hauptsächlich aber mit einer Vielzahl von Karikaturen, zum modernen Erscheinungsbild der innovativen Zeitschrift entscheidend bei. Von den rund 500 Beiträgen Weisgerbers für die Jugend sind allein 438 Blätter Karikaturen. Den Illustrationsstil des satirisch-humoristischen Unterhaltungsblattes prägte er maßgeblich mit.

Albert Weisgerber zählte zum festen Stamm von Malern und Grafikern, die mit ihren zeichnerischen Beiträgen die Verschrobenheit der Zeit auf amüsante Weise aufs Korn nahmen und zu Problemen der Epoche kritisch Stellung bezogen: ihre entlarvende Kritik richtete sich gegen die Verherrlichung und Überbewertung des Militärs, die Borniertheit und Aufgeblasenheit der Offiziere, gegen das ostelbisches Junkertum ebenso wie gegen das persönliche Regiment des Kaisers, gegen die Scheinmoral der Sittlichkeitsvereine und vor allem auch gegen die „Schwarzen“ und Kleriker, die im katholischen Bayern den Ton angaben. Ideologisch bewegten sich die Künstler in einem Liberalismus, dessen Kritik sich gegen bestimmte Symptome der Wilhelminischen Gesellschaft richtete, diese jedoch nicht gänzlich bekämpfte. Weisgerber pflegte in seinen Karikaturen meist einen versöhnlichen Humor und Witz. Im Gegensatz zu den vorwiegend bissigen Karikaturen seiner Kollegen vom Simplicissimus, nahm er die menschlichen Schwächen seiner Zeitgenossen eher auf liebevolle Weise ins Visier. Gleichwohl verstand er es meisterlich, in wenigen schwungvollen Strichen die Selbstgefälligkeit und Borniertheit seiner Charaktere und Figuren unverhohlen darzustellen. 1913 fand Albert Weisgerbers Mitarbeit als Zeichner für die Jugend ein Ende. Seine Ernennung zum ersten Präsidenten der Neuen Münchner Secession, die ihn an die Spitze der jungen Künstlervereinigung setzte, markiert einen letzten Höhepunkt seiner künstlerischen Entwicklung.

Noch posthum erschienen nach seinem frühen Tod 1915 als Soldat im Ersten Weltkrieg bis 1939 in lockerer Folge einzelne seiner Karikaturen, Illustrationen und Reproduktionen seiner Gemälde, was die Wertschätzung der Verleger für den Künstler auch in der Nachfolge von Georg Hirth unterstreicht. Weisgerbers Beiträge für die einstige Avantgardezeitschrift, zu deren Pionieren er vor dem Ersten Weltkrieg auch als Mitarbeiter der innovativen Wochenschrift Jugend gehörte, erscheinen rückblickend wie ein Abgesang auf eine große untergegangene Zeit.

"Im Gegensatz zu den vorwiegend bissigen Karikaturen seiner Kollegen vom Simplicissimus, nahm er die menschlichen Schwächen seiner Zeitgenossen eher auf liebevolle Weise ins Visier. Gleichwohl verstand er es meisterlich, in wenigen schwungvollen Strichen die Selbstgefälligkeit und Borniertheit seiner Charaktere und Figuren unverhohlen darzustellen. 1913 fand Albert Weisgerbers Mitarbeit als Zeichner für die Jugend ein Ende."