Das Selbstbildnis nimmt in der Bildniskunst eine besondere Rolle ein. Es weist gegenüber dem herkömmlichen Porträt eine Eigenheit auf. Der Künstler ist nicht nur Schöpfer des Werkes, sondern er macht sich auch selbst zum Thema. Was das Selbstbildnis zudem so besonders macht: Es entsteht nicht im Auftrag, sondern erwächst aus der inneren Notwendigkeit des Künstlers. Auch ist es der Künstler selbst, der befähigt ist, sich im Selbstbildnis gleichsam von innen als auch von außen zu betrachten. Selbstbildnisse folgen zugleich Rollenvorstellungen und Selbstbildern, die sich jeweils an der Vorstellung über Kunst und Künstlertum orientieren.
Für Albert Weisgerber war das Selbstbildnis eine Aufgabenstellung, die ihn durch alle Lebens- und Schaffensphasen hindurch begleitete. Die Reihe der Selbstbildnisse durchzieht das gesamte Schaffen von den frühen künstlerischen Anfängen bis in die letzten Lebensjahre in kontinuierlicher Folge. Es diente dem Künstler zur Selbstbefragung und Selbstvergewisserung.
Unter den nahezu 120 überlieferten Bildnissen sind 19 gemalte Selbstbildnisse von Albert Weisgerber bekannt, das früheste aus dem Jahr 1900, das letzte aus dem Jahr 1914. Sie sind ein beeindruckendes Zeugnis der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem eigenen Dasein und Künstlertum, das durch Selbstzweifel aber auch Selbstbestätigung charakterisiert ist.
Weisgerbers künstlerische Selbstbetrachtungen geben Aufschluss über einen Maler, der seinen Status in Kunst und Gesellschaft ebenso wie seine seelische Befindlichkeit in seinen Selbstbildern reflektiert.
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